Erinnerungsprojekt
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ist nicht nur ein anthropologisches Phänomen, sondern schon immer zentrales Motiv der Literatur. Im Geschichtenerzählen bewahren wir Erfahrungen auf und geben sie weiter, wir teilen sie, aber wir versichern uns auch unserer selbst.
Wenn nun unsere eigene Identität gefährdet ist, sei es durch eine unklare Herkunft, sei es durch traumatisierende Erfahrungen, wird Erinnerung zu einer komplizierten Sache: sie kann nützlich sein und eine Kontinuität gewähren, die durch äußere Lebensumstände unmöglich geworden ist, sie kann aber auch im Extremfall zu einer Obsession werden, die das Weiterleben erschwert. Sich an Erinnerungen festbeißen, heißt es nicht umsonst: das heißt, eine Verarbeitung wird unmöglich, alles staut sich.
Heute sind viele Menschen auf der Welt unterwegs, sie ließen mit ihrer Heimat auch Erinnerungen zurück - oder sie klammern sich daran. Aber schon frühere Generationen haben diese Erfahrung gemacht; mich fasziniert es, dem nachzugehen. Wieviel Erinnerung braucht ein Mensch, um seine Identität zu entwickeln und zu wahren? Wieviel muss oder darf er gerade zu diesem Zweck vergessen? Wie konfiguriert sich das Erinnern überhaupt?
Oft ist es die Literatur, die Erstarrungen wieder, wie die französische Schriftstellerin Nathalie Sarraute es einmal nannte, "verflüssigen" will. Sie holt Ereignisse hervor, die aus guten Gründen fortgeschoben wurde. Sie sortiert um, in ihrer Gedächtnisarbeit, die im Grunde jeder Mensch in seinem Leben leisten muss ...
In fast allen meinen Büchern habe ich mich mit Aspekten der Erinnerns und Vergessens beschäftigt. Davon möchte ich - anhand von Auszügen aus meinen Romanen "Der Maler Munch" , "Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit" und "Der Tag ist hell, ich schreibe dir" sowie der Erzählung "Singvogel, rückwärts" https://tanjalanger.de/werke/singvogel-rueckwaerts/
Wieviel Erinnerung baucht eine/r, um zu wissen, wer sie/er ist?
in den kommenden Wochen und Monaten möchte ich mich mit diesem Thema befassen, begleitend zu meiner Arbeit am nächsten Roman, und hier im Blog ab und zu meine Überlegungen teilen. Über Anregungen und Fragen freue ich mich.