Die junge Fotografin Barbara Schnabel
selbst aufgewachsen in Pankow, machte sich im Winter und Frühling 1985/86 mit ihrer ersten Kleinbildkamera auf, um ihre Stadt in den Blick zu nehmen. Ihr Mentor war der bedeutende DDR Fotograf Arno Fischer.
Was damals Bildmaterial für die Mappe zur bereits feststehenden Aufnahme an die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig werden sollte, ist heute ein wunderbares Dokument, Teil des Gedächtnisspeichers der Stadt Berlin vor dem Mauerfall und die Erinnerung an eine einzigartige Atmosphäre.
Eine Ausstellung von Robert Doisneau im französischen Kulturzentrum Unter den Linden hatte Barbara Schnabel dazu angeregt, die Straßen ihrer eigenen Stadt mit anderen Augen zu betrachten. In Berlin-Mitte fanden gerade viele Bauarbeiten statt, die Hauptstadt bereitete sich schon langsam auf die 750-Jahr-Feier vor. Sie entdeckte junge Männer, die dort arbeiteten. Und, weil sie selbst noch so jung war, vielleicht: Kinder.
Gips / Linienstraße
Oranienburger Straße
Junge im Hof
Was sie an der Frische der französischen Fotografen begeisterte, das Ad Hoc, das Uninszenierte, verband sich mit der Melancholie der Straßen und Häuser, in denen die Geschichte, die sie „gesehen“ hatten, auf einzigartige Weise greifbar schien. Der Schriftzug eines alten jüdischen Geschäfts, Einschusslöcher, bröckelnde Fassaden. Im Frühjahr 1986 erschütterte die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl die Welt; der Eiserne Vorhang wurde auf unerwartete Weise durchlässig und der Frühling fragil.
Krausnickstraße
Knappe Zitate von Tanja Langer und ein kurzer Text von ihr begleiten die Fotografien.
Ulrike Dornis gestaltete das Layout.
Barbara Schnabel
1966 in Berlin geboren, studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, bevor sie Ende 1987 nach West-Berlin ausreiste. Ihre Arbeiten befinden sich u.a. in der Fotografischen Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Von zentraler Bedeutung in ihrer künstlerischen Arbeit ist die Auseinandersetzung mit den Themen Vergänglichkeit und Erinnerung. Gemeinsam mit dem Künstler el.doelle entwickelte sie 2012 das Projekt westgreußen - für immer fort und ganz vergangen, das an verschiedenen Ausstellungsorten gezeigt wurde und die Schriftstellerin Tanja Langer zu dem literarischen Fotobuch Das Haus inspirierte. Für ihre Arbeit remember me (mit el.doelle), eine künstlerische Intervention in der ornithologischen Sammlung des Naumann-Museums Köthen, erhielt sie 2016 ein Stipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalt.
Von Barbara Schnabel sind im Bübül-Verlag bereits erschienen:
remember me ISBN-13: 978-3-946807-19-3,
Zwiegespräch ISBN-13: 978-3-946807-20-9
Immer mit Zucker ISBN-13: 978-3-946807-22-3