Für den Katalog "Arbeiten aus drei Jahrzehnten" schrieb ich den Text
Lebenswut oder Von der Verehrung monströser Dinge
Erlaube mir traurig zu sein
Unter deinen Augen, den Sternen.
Christine Lavant
Im siebzehnten Jahrhundert gab es in der holländischen Malerei einen Höhepunkt in der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Emulatio (auch aemulatio), lateinisch für Verehrung, oder vielmehr für die wetteifernde und das Vorbild überbietende Nachahmung. Ohne darauf näher eingehen zu wollen, bleibt festzuhalten, dass in der Bezugnahme auf bewunderte Künstler früherer „goldener Zeitalter“ (Antike, Renaissance) der Ehrgeiz, diese zu imitieren, auf eine Wirklichkeit stieß, deren Brüche zu leugnen unmöglich war. Auf diese Weise wurden die Genres erneuert, ob Stillleben, Landschaft oder Porträt: die Wahrhaftigkeit, der eigenen Erfahrung gerecht zu werden, zwang Künstler wie Rembrandt, Ruisdal oder Vermeer dazu, die Grenzen des Vorgefundenen zu sprengen. Spätestens mit der Postmoderne verließ man die Idee des Nacheiferns zugunsten eines gleichberechtigten Dialogs mit anderen Künstlern, ohne jede Hierarchie. Ein Anerkennen, Bewundern, Lieben, das anstößt zu eigenem Tun.
In Dietlind Horstmann- Köppers Werk findet sich eine solche lebhafte „Unterhaltung“, ein Zwiegespräch voller Achtung, mit Künstlerinnen und Künstlern der Vergangenheit und Gegenwart, die ihr auf dem Weg starke Impulse gegeben haben, darunter Francis Bacon, Chaim Soutine und Maria Lassnig, allesamt „Körpermaler“. Ein unmittelbarer Kontakt, den sie mit den verehrten und geliebten Bildern aufnimmt, und den sie auch ganz offen zeigt.
Doch was ist es, was sie da liebt? Wenn sie Tiere, Frauenkörper, Brüste oder Fleisch malt, alles Sujets, die sie in ihrer Umgebung findet? Welche Auskunft erteilt es über ihre Gedanken, ihren eigenen Ansatz in der Malerei?
Das Auffallendste in ihren Arbeiten zuerst: viel Rohes, Heftiges, Direktes, manchmal Brutales. Dann: keine geschönte Weiblichkeit, eher der Blick für den Verfall des Körpers, das Unstimmige, das Nicht-Metaphorische des Fleischs. Die aufbegehrende Frage, wo denn das Leben ist, im bei der Jagd getöteten Tier, das vor ihr liegt, das portioniert wird und gegessen – und uns auf einem anderen Bild als Porträt einer Kuh, geschmückt von zwei Äpfeln, freundlich anschaut. Das Fleisch so zu betrachten, hat sie bei Chaim Soutine (1893 – 1943) gefunden, jenem weißrussischen Juden, der in Paris hungerte und immer dieselbe einzige Hose trug, bevor ihm 1923 ein Amerikaner mehrere Bilder auf einmal abkaufte und ihn von der Armut befreite. Vielleicht war in Dietlind Horstmann-Köpper etwas zaghaft, mädchenhaft (wie die randlose, zarte Brille, die sie trägt), als sie sich von dieser Soutineschen, monströs anmutenden Auffassung des Fleischs überwältigen ließ, um dann ihren eigenen Blick darauf zu bannen, zwischen Distanz, Befremden, Ekel und Neugier, und vielleicht dabei auf dem Wort „monströs“ kauend, in dem auch die Bedeutungen gewaltig, außergewöhnlich und unsagbar stecken.
(...) Der weitere Text befindet sich im Katalog, zu beziehen über die Künstlerin.
Schafskopf
Stehender Akt
Ziege
Hockende
Im Fenster, 2011
↓ english ↓
Lebenswut or On the Admiration of Monstrous Things
Allow me to be sad
Under your eyes, the stars.
Christine Lavant
In Dutch painting during the 17th century there was a critical stage in the discussion about the expression emulatio (also aemulatio), Latin for admiration, or rather striving to equal or excel the example of imitation. Without wishing to elaborate, it goes to say that in reference to admired artists of the earlier “Golden Ages” (the Ancient World, Renaissance), the ambition to imitate these encountered a reality whose infringements could not be denied. And so in this way, the genres were renewed, be it Still Life, Landscape or Portrait: the truthfulness, to be true to one’s own experience, forced artists like Rembrandt, Ruisdal or Vermeer to go beyond the limits of that which already existed. At the very latest in Postmodernism the idea of emulation was given up in favour of an equal dialogue with other artists, without any hierarchy. Acknowledgement, admiration and appreciation - leading to one’s own action.
In the works of Dietlind Horstmann-Köpper there is such a lively “conversation”, a respectful dialogue with artists past and present, who on the way have given her strong impulses, such as Francis Bacon, Chaim Soutine and Maria Lassnig, all of them “body-awareness painters”. A direct contact which she takes up with these admired and loved paintings and which she shows quite openly.
But what is it that she loves? When she paints animals, female bodies, breasts or flesh, all subjects she finds in her surroundings? What information do they give us about her thoughts, her own approach to painting?
The most striking in her works: first of all, a lot of rawness, violence, directness, sometimes brutality. And then: no beautified femininity, rather an eye for the decay of the body, inconsistency, the non-metaphoric aspect of the flesh. The rebellious question, where then is life in the animal killed in the hunt, gutted and eaten and lying before her – and in another painting, the portrait of a cow adorned with two apples, gazing at us in a friendly way. She found this way of looking at flesh from Chaim Soutine (1893 – 1943), a Jew from Belarus who nearly starved in Paris and always wore the same pair of trousers until an American bought several of his paintings in 1923 and thus saved him from poverty. Perhaps there was something tentative and maidenlike about Dietlind Horstmann-Köpper (like the rimless, delicate spectacles she wears), when she was overwhelmed by this monstrously striking interpretation of the flesh by Soutine, and then, to transfix her own view on it, between distance, astonishment, revulsion and curiosity, and perhaps mulling over the word “monstrous”, which also implies violence, the exceptional, the unspeakable.
Translation: Elizabeth and Wilfried Hemp
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