Ein Reisender ist ein Träumender ist ein Erzählender ...
Die Reisenden in diesen Erzählungen finden sich in Situationen wieder, in denen nicht nur die Länder neu und überraschend sind, sondern auch die jeweilige Situation.
Trommeln, Trance und Santería: Die erste Geschichte entführt nach Kuba, wo der Erzähler unversehens in eine "echte" Voodoozeremonie gerät, die zweite, Blues in Bluefields, in die Karibik, die sich nicht eitel Sonnenschein zeigt, sondern in einem irrsinnigen Regen, der alles lahmlegt und den Protagonisten mit sich selbst konfrontiert. Langeweile oder Chance? Die dritte Erzählung, El Duende, spielt in einem andalusischen Dorf, das einst für den Flamenco berühmt war, und sie spielt mit Erwartungen, die Reiseführer hin und wieder wecken. In der vierten Geschichte, Post von Franco, leistet ein eigensinniger Briefträger Widerstand auf seine Weise.
Alle Erzählungen
schweben irgendwo zwischen dem, was wir Wirklichkeit nennen, und einer Phantasie, von der man manchmal nicht weiß, zu wem sie gehört. Die Figuren werden dabei von sich selbst fortgeführt, um sich und die Welt am Ende neu zu entdecken. Jürgen Gressel-Hichert, der viele Presie als Radiojournalist für seine Arbeiten erhielt, hält den Ton, seine Sätze einfach, doch er zieht in die "Direktheit" stets einen doppelten Boden hinein. Das macht den Reiz dieser Geschichten aus, ihre Schwingung, man hat das Gefühl, man habe etwas verpasst, müsse sie ein zweites Mal lesen, denkt über die eigene Wahrnehmung nach und zögert zwischen Schmunzeln und Melancholie.
Kongenial
hat Petrus Akkordeon, der sich bereits mit der Erzählung Eine Liebe in Stettin mit Jürgen Gressel-Hichert auseinandergesetzt hat, zu genau dieser Stimmung zwischen leicht, scheinbar einfach und doch irgendwie abgründig seine Zeichnungen geliefert.
Hier z.B. greift er in der karibischen Geschichte die Anspielung des Texts auf Alice im Wunderland auf, wenn der Protagonist über die Wunder der Langeweile nachdenkt und den sonderbaren Hasen ("zu spät"zu spät!") in Carrolls berühmtem Buch. Petrus Akkordeon visualisiert ihn, kombiniert mit dem Dauerregen, und er setzt damit einen besonderen Akzent. Humor und Doppelsinn treffen sich ...
Oder er lotet die Melancholie des verlassenen spanischen Dorfs aus, indem er die Gitarre mit einem fast menschlichen Ausdruck versieht ...
Jürgen Gressel-Hichert
1956 geboren in Berlin, schreibt seit mehr als 40 Jahren für Hörfunk, Fernsehen, online. Für seine Arbeit wurde er u.a. mit dem Robert-Geisendörfer-Preis, den Journalistenpreisen der Katholischen Kirche, des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz und des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit ausgezeichnet. Der reisefreudige Geschichtensammler war als Korrespondent auf der ganzen Welt unterwegs: in fast allen Ländern Europas, in Lateinamerika, Mexiko, USA, Kanada und Asien. Viele kennen seine Stimme, er war als Redakteur bei rbb Kultur (früher SFB 3) tätig, wo er zuletzt mit seinem Podcast "rasend langsam" die Zeiten der Pandemie begleitete. Im Bübül Verlag erschien 2022 sein Debüt "Eine Liebe in Stettin".
Petrus Akkordeon
1971 geboren in Berlin, fand nach Studien der Philosophie, Psychologie und Religionswissenschaften an der FU Berlin zur Kunst. Er studierte bei F.W. Bernstein an der UDK (HDK) Berlin und veröffentlichte seither mehr als fünfzig Bücher bei einem dutzend Verlagen. Mal schreibt er, mal illustriert er Bücher anderer Autor*innen. Sein Debütroman "taubengeschichte, eine" erschien 2021 bei molokoprint. Für den Bübül Verlag illustrierte er 2018 "Schoki Doki" von Tanja Dückers. Seine Arbeiten werden international in Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert. Wenn er nicht zeichnet, schreibt oder denkt, dann ist er wahrscheinlich gerade bei seinem Pferd Norman.