Wolfgang Siano und Jobst Deventer
Wolfgang Siano kuratierte 2018 zusammen mit Dietlind Horstmann-Köpper im Kunstraum Schneverdingen die Ausstellung "Das Gedächtnis der Dinge". Dabei entdeckte er das Werk des Künstlers Jobst Deventer, dessen Arbeit er in einer weiteren Ausstellung 2021 einzeln ausstellte. Im Kunstraum und in der Kapelle präsentierte er in einer einzigartigen Hängung die Arbeiten von Jobst Deventer unter dem Titel "Kommt Farbe wird Form" und stellte dabei die Konstruktionsprinzipien des Künstlers in den Vordergrund. Dazu gehört nicht nur das Wissen um künstlerische Formen, sondern ebenso das Staunen des Kindes als vitaler Antrieb des Künstlers, die Jobst Deventer zwischen den Polen von Angst und Freude zur Darstellung bringt. Eine weitere Frage lautet: Was ist "wirklich" in einer medial vermittelten Wirklichkeit?
Fritz, 2018
Wirklich, 2020
Kommt Farbe wird Form
heißt daher das vorliegende Buch, in dem Wolfgang Siano diese Konstruktionsprinzipien in einem großen Essay reflektiert und in einen kunsthistorischen Zusammenhang der Moderne einordnet. Zum einen die Auseinandersetzung Jobst Deventers mit der Fotografie als omnipräsentem Medium der Gegenwart seit dem beginnenden 20. Jahrhundert, sein Bezug auf den Surrealismus und Magritte oder sein spielerisch ernster Kommentar zu David Hockneys Ikone "A Bigger Splash".
Das Nachdenken ist darin nicht zuerst ein Denken über etwas, sondern bildet sich aus der sinnlichen Präsenz der Farben heraus. Wolfgang Siano.
Sparkle, 2020
Mir ist, wie es sich für einen Künstler gehört, die ganze Welt ebenso wie das Geschehen in ihr ein nie endender Reigen von Bildern. Meine Arbeit ist es, dies in die Fläche des Bildes zu bringen. Einfach sollen sie sein, meine Bilder, und so wahr wie möglich. Jobst Deventer
Wind, 2022
Selbst vom Tod gezeichnet wegen seiner schweren Erkrankung mit ALS, greift Wolfgang Siano in dieser seiner letzten Arbeit die Spannung in Jobst Deventers Werk auf, in die sich der Künstler mit einer großen Wahrhaftigkeit der existenziell empfundenen Nähe des Todes stellt. Charon, der alte Fährmann, der die Toten über den Fluss Lethe in den Hades bringt, provoziert bei Jobst Deventer ebenso Spieltrieb und Humor wie eine große Ernsthaftigkeit.
Wolfgang Siano beim Aufbau der Ausstellung in Schneverdingen, 2021, mit den Arbeiten Charon und Transit / (Foto von J. Deventer im Buch)
Charon, 2007, Acryl auf Holz in der Kapelle Schneverdingen 2021
Es ist ein besonderes Buch geworden, dass zum Dialog mit Text und Bild einlädt.
Jobst Deventer
1956 geboren, aufgewachsen in Putensen / Lüneburger Heide, lebt seit 1995 als freischaffender Künstler in Riekenbostel. Er studierte Kunstpädagogik und Bildende Kunst und besuchte u.a. die Sommerakademie Salzburg bei Wolf Vostell. 2018 nahm er an der Ausstellung Das Gedächtnis der Dinge im Kunstraum Schneverdingen teil, wo 2021 die Einzelausstellung Wird Farbe kommt Form gezeigt wurde, kuratiert von Wolfgang Siano. Jobst Deventer stellte v.a. in Norddeutschland und Schweden aus. Er arbeitet mit beeinträchtigten Menschen und spielt in mehreren Bands.
Wolfgang Siano
1948 geboren in Lingen/Ems, lebt seit 1971 in Berlin. Als Kunsthistoriker lehrte er an der HdK (UdK) Berlin, der Filmhochschule Konrad Wolf (Babelsberg) und an der Potsdam School of Architecture. Seit den 1980er Jahren ist er mit den unterschedlichsten Positionen der Berliner Kunstszene vertraut; er veröffentlichte in Katalogen und kuratierte Ausstellungen in Berlin, Deutschland, Frankreich. Zu seinen Hauptthemen gehören Fragen wie „Wie kommt die Kunst in die Kunst?“, „Wie lässt sich in Zeiten der Globalisierung verbindlich über Kunst sprechen?“ und „Was ist das Verhältnis zwischen Material und Subjektivität?“
Wolfgang Siano starb am 2.2.2024 in Berlin.
Beim Hängen der Ausstellung von Jobst Deventer im Jahr 2021, mit dem Bild "Cara"